Zurich Film Festival
Der talentierte Mr. Law verzaubert Zürich – die Bilder vom grünen Teppich
Zurich Film Festival
Das Zurich Film Festival eröffnet mit dem britischen Star in einem Polit-Thriller. Die Kontroverse um «Russians at War» bleibt stumm.
Tobias Sedlmaier
Es hat fast Tradition: Irgendein Skandal fand sich in den vergangenen Jahren stets pünktlich zur Eröffnung des Zurich Film Festival ein. 2022 entbrannte eine leicht verfehlte und alberne Cancel-Culture-Debatte um den Kinderfilm «Der junge Häuptling Winnetou». Dabei war der nirgendwo gecancelt worden.
Letztes Jahr stand der Eklat um Läderach im Fokus. Eine SRF-Dokumentation hatte Kindesmisshandlungen an den evangelikalen Schulen thematisiert, die der frühere Firmenchef Jürg Läderach mitgegründet hatte. Nach der Ausstrahlung war das ZFF noch fest an der Seite von Läderach gestanden. Wenige Tage später wurde abrupt die Partnerschaft beendet.
Schaulaufen auf dem Grünen Teppich in Zürich:
34 Bilder
Schauspieler Jude Law trifft Elisabeth Baume-Schneider auf dem grünen Teppich des ZFF.
Til Buergy / EPA
Ernst zu nehmende Drohungen gegen Festival
Nun, zum 20-Jahr-Jubiläum des Festivals kommt der vorerst dickste Brocken: «Russians at War». Die von ukrainischer Seite heftig kritisierte Kriegsdokumentation über russische Soldaten an der Front sollte zunächst öffentlich gezeigt werden. So wie in Venedig und – bereits mit Einschränkungen – in Toronto. Auf Social Media folgte postwendend ein Shitstorm gegen das ZFF.
Letzte Woche schliesslich erneut ein Umschwenken: Wegen Sicherheitsbedenken mussten die Vorstellungen von «Russians at War» abgesagt werden. Tatsächlich gab es ernst zu nehmende Drohungen gegen das Festival und sein Team. Sollten dahinter Personen stecken, die der ukrainischen Seite nahestehen, hätten solche Aktionen ihrer Sache keinen Gefallen getan.
Im Gegensatz zum Indianerhäuptling Winnetou fällt die Causa «Russians at War» also wirklich unter «gecancelt». Es ist eine verpasste Chance zum Dialog, wie es mit einer Podiumsdiskussion geplant war, zu der neben der ukrainischen Vertretung auch die russisch-kanadische Regisseurin Anastasia Trofimova geladen war. Aber auch zur Aufklärung: Wer der Ansicht ist, dass die Doku lupenreine Putin-Propaganda ist, hätte dies am öffentlich einsehbaren Filmmaterial darlegen können. So gab es vor allem Krach von Krawallmachern, die den Film nicht einmal gesehen haben.
Vom ungeliebten Kind zum Leuchtturm
Doch zur Eröffnungszeremonie war von diesem Unbill wenig zu spüren. Das Thema «Russians at War» wurde tunlichst vermieden. Von etwaigen Protestaktionen war ebenfalls nichts zu sehen. Stattdessen wurde das ZFF-Jubiläum und seine Geschichte gefeiert. Ebenso wie Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider schwelgte auch Festivaldirektor Christian Jungen in Erinnerungen an die Anfänge des Festivals 2005: Damals war das ZFF ein ungeliebtes Kind.
Heute hingegen sei man unter den kulturellen Leuchttürmen von Zürich. Jungen zitierte den «Guardian»: «Der trendy Teenager unter den Filmfestivals.» Die Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch stellte einmal mehr mit einer sketchartigen Ansprache in der dritten Person («die originellste Rede, die sie je gehalten hat») ihren erfrischenden Humor unter Beweis.
Das ZFF ist also da, wo es sein will: bei strahlendem Glanz und Glamour. Und den verkörperte an diesem Abend niemand besser als Jude Law. Von vielen Fans bejubelt schritt der britische Star über den grünen Teppich und beantwortete geduldig Fragen. Anschliessend nahm der 51-Jährige ein Goldenes Auge entgegen. In seinen kurzen Dankesworten blieb Law bescheiden: «Wie viele Schauspieler bin ich nicht gut ohne Script.»
Dass der charmante Beau («The Talented Mr. Ripley», «Sherlock Holmes») sich auch die Hände schmutzig machen und abgerockter auftreten kann, bewies der auf realen Ereignissen basierende Eröffnungsfilm, der Polit-Thriller «The Order». An dieser Stelle soll von sämtlichen «Law and Order»-Wortwitzen, die von diversen Zürcher Medien verbraten wurden, abgesehen werden.
Eine Brücke in die politische Gegenwart
Law spielt den FBI-Agenten Terry Husk. Ein einsamer Wolf, dessen besten Tage vorüber sind. Er ist der Arbeit noch etwas mehr zugeneigt als dem Alkohol, was ihn von seiner Frau und den zwei Töchtern entfremdet hat. Ein abgehalfterter Mann, der den Respekt und die Geduld seiner Familie verloren hat? Man ist an Nicolas Cage im letztjährigen Eröffnungsfilm «Dream Scenario» erinnert.
Im Bundesstaat Washington, an der Pazifikküste, kommt Husk 1983 einer Verschwörung auf die Spur, an deren Wurzeln sich das lokale Sheriffbüro nicht rantraut: Flugblätter, in denen die «weisse Rasse» zum Widerstand aufgerufen wird, Bomben auf Synagogen, Banküberfälle. Der Agent mit Hang zu cholerischen Ausbrüchen deckt auf, dass hinter den Taten eine Gruppe von White-Supremacy-Anhängern steckt. Mit Terroranschlägen wollen sie den Staatsstreich durchsetzen.
«The Order» ist ein unterhaltsamer, solider Thriller, in dem vor allem ob seiner rauen visuellen Qualitäten das Potenzial für einen grossartigen gesteckt hätte. Doch dazu spult der australische Regisseur Justin Kurzel die Geschichte einen Tick zu routiniert ab, erzählt nicht alles mit der gebotenen Tiefe. Klar wird: Der Wilde Westen, als das Recht in die eigene Hand zu nehmen zur selbsterklärten Pflicht wurde, ist in den USA auch 100 Jahre später noch nicht endgültig vorbei.
Damit schlägt der Film im amerikanischen Wahljahr eine wichtige Brücke in die Gegenwart, zum Sturm auf das Kapitol und die rassistischen «Proud Boys». Über die Miliz fanatischer Trump-Fans zeigt das ZFF übrigens noch den vielverheissenden Dokumentarfilm «Homegrown».
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